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Knastranking

By 17. Juni 2011Allgemein

In dieser Woche war ich neben allen anderen Terminen wieder einmal viel in den Knästen des Landes unterwegs. Genauer gesagt des Landes NRW. Es reicht ja schon als bloßer Besucher, der auch noch professionell in diesen Anstalten unterwegs ist, um danach genügend deprimiert zu sein. Interessant ist aber der Umstand, wie unterschiedlich jeder einzelne Knast doch ist. Sagen wir mal so: Müsste ich selber einfahren, dann hätte ich schon gewisse Wunschvorstellungen, wohin die Reise gehen soll. Das Spektrum ist schon sehr weitläufig – von den „Haftanstalten des offenen Vollzugs“, von denen es eine Reihe in Ostwestfalen gibt über mehr als hundert Jahre alte und sich in entsprechendem Zustand befindende Gebäude wie etwa in Bochum bis hin zu Massenunterkünften wie in Köln.

Soweit ich weiß, hat die Evaluation in den Haftanstalten noch keinen Einzug gefunden. Wenn ich aber ein Ranking machen müsste anhand der Angaben meiner Kundschaft und meiner eigenen Eindrücke, dann wäre (aus meiner NRW-Erfahrung) die JVA Siegburg ganz weit hinten angesiedelt. Ein uralter Kasernenbau, der heute die Massen abfertigt. Unterteilt in ein Gebäude für Jugendliche und eines für Heranwachsende, wobei wohl auch in geringerem Umfang Erwachsene dort einsitzen. Eine Haftanstalt, deren Ziel es eigentlich sein sollte, die dort einsitzenden Jugendlichen nicht nur zu bestrafen, sondern Erziehung oder Hilfe bei der Resozialisierung zu vermitteln. Während es ganz offenbar deutlich zu wenig Stellen gibt für Pädagogen und Sozialarbeiter, herrscht innerhalb der Gefangenen ein rauhes Klima voller Gewalt, Drogen und Grüppchenbildung. Wer dort ein halbwegs ruhiges Leben als Inhaftierter führen will, der sollte sich tunlichst einer der Gruppen anschließen, die dort „regieren“. Wer dies tut, steht unter deren Schutz. Wer Einzelgänger bleibt, muss mit Übergriffen, Bedrohung und Wegnahme der wenigen Habe durch die mächtigen Gruppierungen rechnen. Auf die detallierten Schilderungen der Gewalthandlungen will ich verzichten. Ich kann sie sowieso nicht nachprüfen. Klar, man muss davon ausgehen, dass bei den Schilderungen der Insassen auch eine Menge Übertreibung und „Häftlingsgarn“ dabei ist, genau wie Anwälte manchmal „Anwaltsgarn“ von sich geben. Aber in der Masse der mir über die Jahre zugetragenen Geschichten wiederholt sich vieles. Vieles, aus denen man sich ein ansatzweises Bild machen kann. Das Bild, das ich habe, reicht mir, um diese Art des Strafvollzuges, gerade für junge, straffällig gewordene Leute, als fürchterlich zu zu bezeichnen.

Zumindest tut sich was, da der Jugendvollzug noch in diesem Jahr in ein neues Gebäude nach Wuppertal umziehen wird. Wollen wir mal hoffen, dass sich neben dem Äußeren auch in der Personalstruktur etwas ändert, um einen dem Rechtsstaat würdigen Vollzug gewährleisten zu können. So wie es bisher ist, muss man sich nicht wundern, wenn man Jugendliche zum ersten Mal „einfahren“ lässt und diese anschließend nicht resozialisiert entlassen, sondern erst recht Gewalt als Mittel der Kommunikation kennengelernt haben.